Lagebericht

Lagebericht
von Professor Dr. Hans-Joachim Böcking, Dr. Dietrich Dörner und Professor Dr. Norbert Pfitzer
I. Zweck
Der Lagebericht verkörpert ein rechtlich und funktional eigenständiges Instrument der jährlichen Pflichtpublizität von Unternehmen. Er erläutert den  Jahresabschluss und ergänzt diesen um Informationen allgemeiner Art über den Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft. Neben dieser Informationsfunktion kommt dem Lagebericht auch eine Rechenschaftsfunktion zu. Nach dieser haben der Vorstand bzw. die Geschäftsführung im Lagebericht die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zur wirtschaftlichen Gesamtlage der Gesellschaft zu verdichten und darzustellen, wie sie die Stellung und Entwicklung der Gesellschaft im Vergleich zum Gesamtmarkt und ihrem unmittelbaren wirtschaftlichen Umfeld einschätzen. Aus der Informations- und Rechenschaftsfunktion des Lagebericht ergeben sich die Grundsätze der Lagebericht-Erstattung. Der Lagebericht hat demnach alle Angaben zu enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Geschäftsverlaufs und der wirtschaftlichen Lage, einschließlich der künftigen Entwicklung und deren Risiken, erforderlich sind (Grundsatz der Vollständigkeit). Es müssen sowohl die Einzelangaben im Lagebericht als auch der gesamte Lagebericht mit der Realität übereinstimmen (Grundsatz der Richtigkeit und Wahrheit). Des Weiteren sind alle Angaben im Lagebericht eindeutig und für die Berichtsadressaten verständlich zu formulieren (Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit).
II. Aufstellungspflicht
Grundsätzlich haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften, von nach dem Publizitätsgesetz rechnungslegungspflichtigen Unternehmen, Genossenschaften, Kreditinstituten sowie Versicherungsunternehmen einen Lagebericht aufzustellen. Kleine Kapitalgesellschaften und publizitätspflichtige Personenhandelsgesellschaften sowie Einzelkaufleute sind von dieser Pflicht befreit. Mit dem In-Kraft-Treten des KapCoRiLiG sind die Bestimmungen für Kapitalgesellschaften auch für Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) anzuwenden, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar eine natürliche Person ist (§ 264a HGB). Unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung ist es stets möglich, einen Lagebericht auf freiwilliger Basis zu erstellen.
III. Inhalt und Umfang
Gemäß § 289 I HGB sind im Lagebericht zumindest der Geschäftsverlauf und die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird (sog. Wirtschaftsbericht). In diesem Zusammenhang ist auch über Risiken der künftigen Entwicklung zu berichten (sog.  Risiko-Bericht). In der Berichterstattung über den Geschäftsverlauf ist von der Unternehmensleitung darzulegen, wie sich das Unternehmen während der abgelaufenen Berichtsperiode entwickelt hat und welche Ursachen zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Die Ausführungen zum Geschäftsverlauf sind damit zeitraumbezogen und vergangenheitsorientiert. Demgegenüber ist die Berichterstattungspflicht über die Lage der Gesellschaft dynamisch ausgestaltet. Entsprechend haben die Ausführungen hierzu auch zukunftsbezogene Angaben zu enthalten. Dem Normweck entsprechend bezieht sich die Risikoberichterstattung primär auf ungünstige künftige Entwicklungen. Das schließt allerdings nicht aus, dass zur Einschätzung der Risiken auch über Chancen berichtet wird. Der Gesetzgeber legt in § 289 II HGB weitere Berichtsteile fest. Demnach soll im Lagebericht auf Vorgänge von bes. Bedeutung, die nach dem Schluss eingetreten sind (sog. Nachtragsbericht), auf die voraussichtliche Entwicklung der Kapitalgesellschaft (sog.  Prognosebericht), auf den Bereich Forschung und Entwicklung (sog. Forschungs- und Entwicklungsbericht) und auf bestehende Zweigniederlassungen der Gesellschaft (sog. Niederlassungsbericht) eingegangen werden. Eine weitere Konkretisierung des Inhalts und der Gestaltung des Lageberichts ergibt sich aus der berufsständischen Verlautbarung des IDW (IDW RS HFA 1 „Aufstellung des Lageberichts“) und dem vom BMJ bekannt gemachten  Deutschen Rechnungslegungs Standard (DRS) 5 „Risikoberichterstattung“. Die gesetzlich festgelegten Berichtsbestandteile des Lagebericht sind nicht abschließend und können durch weitere freiwillige Angaben ergänzt werden.
IV. Prüfung durch den Abschlussprüfer
Der Lagebericht ist Bestandteil der gesetzlichen  Jahresabschlussprüfung. Der Abschlussprüfer hat zu untersuchen, ob der Lagebericht mit dem Jahresabschluss und den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen in Einklang steht und ob der Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens vermittelt (§ 317 II HGB). Dies umfasst auch die Prüfung, ob die Risiken der künftigen Entwicklung im Lagebericht zutreffend dargestellt sind. Weitere Anforderungen an die Prüfung des Lageberichts ergeben sich aus den Berichtspflichten des Abschlussprüfers.
So hat der Abschlussprüfer gemäß § 321 I HGB im Prüfungsbericht vorweg zu der Beurteilung der Lage des Unternehmens durch die gesetzlichen Vertreter Stellung zunehmen, soweit die geprüften Unterlagen und der Lagebericht eine solche Beurteilung erlauben. Der Abschlussprüfer hat dabei bes. auf die Beurteilung des Fortbestands und der künftigen Entwicklung des Unternehmens unter Berücksichtigung des Lageberichts einzugehen. Zudem ist vom Abschlussprüfer im Hauptteil des Prüfungsberichts festzustellen, ob der Lagebericht den gesetzlichen Vorschriften und den ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung entspricht (§ 321 II HGB). Gegenüber der Öffentlichkeit testiert der Abschlussprüfer mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, dass der Lagebericht nach seiner Beurteilung insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens vermittelt und ob die Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt wurden (§ 322 III HGB). Auf bestandsgefährdende Risiken hat der Abschlussprüfer im Bestätigungsvermerk gesondert einzugehen. Sofern Einwendungen gegen den Lagebericht zu erheben sind, hat der Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk einzuschränken (§ 322 IV HGB). Das IDW hat die Anforderungen an die Prüfung des Lageberichts in IDW PS 350 „Prüfung des Lageberichts“ konkretisiert.
V. Offenlegung
Die für dem Jahresabschluss geltenden Vorschriften finden auch auf die Offenlegung des Lageberichts Anwendung.
VI. Besonderheiten des Konzernlageberichts
Die Bestimmungen zum Konzernlagebericht (§ 315 I und II HGB) entsprechen denen zum Lagebericht mit der Einschränkung, dass im Konzernlagebericht nicht auf bestehende Zweigniederlassungen einzugehen ist. Die Darstellung des Geschäftsverlaufs und der Lage des Konzerns soll eine Gesamtbeurteilung des Konzerns als wirtschaftliche Einheit ermöglichen. Der Konzernlagebericht kann daher nicht als eine Kumulation Lageberichts der einzelnen Konzernunternehmen angesehen werden. Eine Zusammenfassung des Konzernlageberichts mit dem Lagebeircht des Mutterunternehmens ist möglich (§ 315 III HGB). Auch hierbei ist zu beachten, dass nicht grundsätzlich von einer Deckungsgleichheit der Lage des Konzerns und der Muttergesellschaft ausgegangen werden kann, so dass eine differenzierende Berichterstattung geboten ist.
Literatur: Böcking, H.-J./ Müßig, A., Kommentierung zu §§ 289 und 315 HGB, in: Baetge, J./ Kirsch, H.-J./ Thiele, S. (Hrsg.), Bilanzrecht: Handelsrecht mit Steuerrecht und den Regelungen des IASB, Bonn/Berlin 2002.

Lexikon der Economics. 2013.

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